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Kulturschock leicht gemacht (Tag 3)

Am dritten Tag bringt uns unser treues Trollbo entlang des Nordsjøvegens in Richtung Stavanger. Die Landschaft könnte abwechslungsreicher nicht sein - ist es da verwunderlich, dass wir einen regelrechten Kulturschock bekommen?


Übrigens: Unser Norwegen-Abenteuer wird von Anny-x und Irish Pure gesponsert. Weitere Infos hier.


Von dem anstrengenden Urlaubstag in Mandal und am Südkap gestern sind unsere Vierbeiner heute hundemüde und kommen gar nicht richtig in die Gänge. Also bleiben wir noch lange im Zelt sitzen und kuscheln alle miteinander; erst gegen zehn Uhr sind wir abfahrbereit. 

Das liegt allerdings auch an unseren Planänderungen. Eigentlich wollten wir morgen gerne die Fähre ab Lauvvik über den Lysefjord nehmen. Die ist aber leider schon ausgebucht (später sehen wir auch, warum. Es passen höchstens sieben Autos auf die kleine Fähre). Also müssen wir umdisponieren. 

Weil wir uns die Fährfahrt (zum Glück) schon in den Kopf gesetzt haben, aber nicht die teure Alternative nehmen wollen, ändern wir kurzerhand unsere Route. Anstatt ab Lysebotn weiter Richtung Odda zu fahren, wollen wir mit der Fähre von Lauvvik nach Forsand fahren und von dort den Ryfylkevegen nach oben erkunden, der auch zu den Nationalen Touristenstraßen gehört. Der Reiseführer sagt zwar, dass wir dann in Hjelmeland nochmals eine Fährfahrt buchen müssten, aber so schlimm finden wir das nicht. Einzig ungeschickt ist, dass wir keine Informationen darüber finden, ob es sich bei den Verbindungen Lauvvik-Forsand und Hjelmeland-Nesvik um Autofähren handelt. Das müssen wir wohl vor Ort heraus finden. 

Die Karte für die Fährfahrt über den Lysefjord am 8. August buchen wir dann auch direkt. Und hier können wir direkt mal ein paar Tipps geben. Es gibt nämlich zwei Anbieter für die Verbindung - Kolumbus und Rødne Fjord Cruise. Bei beiden handelt es sich um Autofähren, bei denen die Hunde auch aus dem Auto dürfen. Wir wollten gerne die Kolumbus-Fähre nehmen, weil wir mit den 369 NOK (etwa 37€ für Auto + Fahrer*in und ein zusätzlicher Passagier) um etwa das vierfache günstiger waren. Vergleichen lohnt sich also in dem Fall! 

Wir beginnen unseren Tag in dem wunderschönen Ort Flekkefjord. Hat uns Mandal gestern sehr gut gefallen, sind wir heute restlos begeistert. Malerischer kann eine Stadt kaum sein. Flekkefjord begeistert uns mit seinen dicht von Holzhäusern in unterschiedlichen Farben gesäumten Gassen und der ruhigen, tiefenentspannten Atmosphäre. Unser Reiseführer beschreibt das charmante Städtchen als anmutiges Bild aus weißen, kupferroten, elfenbein- und zimtfarbenen Fassaden (Möbius & Ster, 2022, S.91). Die hölzernen Bauten scheinen unterdessen in Rosen zu baden, die einen betörenden Duft verströmen. Ebenso die öffentliche Toilette des Kulturhus am Hafen - wobei wir auch schon deutlich weniger saubere frei zugängliche Toiletten gesehen haben. Außerdem stehen den Touristen hier sowohl Toilette als auch Duschen und sogar eine Waschmaschine zur freien Verfügung, da wollen wir uns über ein bisschen Pipigeruch mal nicht beschweren. Zumal wir hier außerdem eine gute Möglichkeit erhalten, unsere Wasservorräte aufzufüllen, da das Hahnenwasser überall in Norwegen bedenkenlos getrunken werden kann. 

Nach dem süßen, pittoresken, adretten und hübschen Flekkefjord geht es, ausgerüstet mit im Kiwi frisch gekauften Snacks, in eine wunderbare, atemberaubende Berglandschaft. Mit entsprechender Wegführung. Das heißt, die Straße wird immer schmaler, kurviger, enger und steiler. Außerdem gibt es nur wenige Haltemöglichkeiten (daher sind die Fotos aus diesem Abschnitt der Rv44 leider weniger gut als gewohnt, da Freydis aus dem Auto heraus filmen muss…). 

Wer den Nordsjøvegen nach fahren möchte, findet hier einige Informationen. 

Irgendwann geht die Straße hinab zum Jøssingfjord, der tiefblau den Berg zu durchschneiden scheint. An seinem Fuße liegen die Helleren, zwei Häuser aus dem 17. Jahrhundert, welche noch gut erhalten und gepflegt sind und einen kurzen Abstecher lohnen. Die beiden Hütten sind unter einen Felsvorsprung gebaut worden, welche die Gebäude gleichzeitig zu umschließen und zu erdrücken scheint. Allerdings blieben die Höfe so vor Wind und Wetter geschützt. Mit der originalen Inneneinrichtung gewähren die beiden Häuser einen guten Einblick in das schwere Leben zu dieser Zeit und (vorallem) unter diesen abgeschnittenen und einsamen Lebensbedingungen. Leider können wir nur eines der Häuser betreten, das andere ist für Besuchende geschlossen. Mit den einsamen Zeiten ist es heutzutage übrigens vorbei. Wir sind nicht die einzigen Touristen, aber damit war zu rechnen. 

Dies ist übrigens auch der Ort, nach welchem die Kulturschock-Serie begann…

Hinter den Helleren werden die Haarnadelkurven langsam weniger und die Straße wieder breiter, wenngleich immernoch Seen, Felsen und Tannen das Landschaftsbild bestimmen. Wir sind auch immer noch begeistert von dieser Schönheit!

Das geht so lange, bis wir die Stadt Egersund erreichen, welche wir aber nur durchfahren. Hinter Egersund stehlen sich plötzlich immer mehr Wiesen zwischen die Felsen und geben der Landschaft ein lieblicheres Antlitz. Dann, quasi mit einem Schlag, dominieren Wiesen und weite Felder das Bild. Das Gelände ist plötzlich flach und so weit das Auge reicht, sehen wir Bauernhöfe, Viehweiden und Gewächshäuser. Dass sich hier, in Jæren, ein Großteil der norwegischen Landwirtschaft angesiedelt hat, können wir uns auch ohne die Information im Reiseführer denken… Können es aber noch nicht so richtig fassen. 

"Hä? Hier sieht es aus wie Zuhause", sagt Emily mit offenem Mund. Freydis kann nur große Augen machen und nicken. "Was ist denn jetzt falsch? Das ist doch hier nicht Norwegen! Das ist… Kellenhusen!"

Die Straße zieht sich unterdessen schnurgerade in gleichbleibendem Abstand an der Küste entlang. Rechts Felder, links Felder. Dazwischen grasende Rinder. Wir wähnen uns im falschen Film. 

"Lass uns mal weiter nach Orre fahren, da gibt es einen Strand. Dann können wir wenigstens einen Strandspaziergang mit den Hunden machen". Langsam haben wir uns von dem schnellen Wechsel etwas erholt und schmieden wieder Pläne - nichtsahnend, dass uns schon bald der nächste Kulturschock erwartet…

 

…Denn als wir in Orre ankommen und den Parkplatz am Strand ansteuern, begrüßt uns schon fröhlich wedelnd: Strandhafer auf den Sanddünen! Ja, sind wir denn jetzt plötzlich in Dänemark? Es sieht wirklich genauso aus, wie während unseres Familienurlaubs am Ringkjøbing-Fjord im Februar! Was uns zu der Frage bringt, wie viel Zeit oder Strecke eigentlich für einen Kulturschock vergehen muss? Norwegen lehrt uns: Zehn Minuten und ähnlich viele Kilometer reichen im Ernstfall! Unsere Gehirne kommen jedenfalls nicht klar mit dieser Autofahrt heute!

Den Strandspaziergang genießen wir natürlich trotzdem. Und nicht nur wir - die Hunde sind wie immer völlig aus dem Häuschen, wenn sie einen Sandstrand haben. Zu viert rennen wir in Richtung Wasser, tollen im warmen Sand herum und genießen anschließend die wärmende Sonne. Das tut gut nach so einer langen Fahrt! (Übrigens: für die Chicken Stripes von IrishPure geht sogar unsere wasserscheue Pebbles ins Meer!)

 

Von den Dänemark-Dünen geht es abends in Richtung Lauvvik (kurz vor Sandnes ändert sich die Landschaft mal wieder grundlegend, aber heute kann uns nichts mehr schockieren). An einem See finden wir schließlich einen schönen Platz zum Zelten. Nach so vielen Eindrücken sind wir alle müde, daher passiert anschließend nicht mehr so viel…

 

Übrigens, eine unserer Entdeckungen heute hatte nichts mit der Landschaft zu tun: Wir haben Rekeost probiert. Das ist eine Schmelzkäsecreme mit Garnelenstückchen. Aus der Tube! Schmeckt besser, als es klingt (und aussieht) und sollte jede*r mal im Norwegen-Urlaub probieren. 


Das war unser aufregender und abwechslunsreicher Küstenstraßentag heute. Am nächsten Tag sollten wir unsere Pläne nochmal über den Haufen werfen. Außerdem erfahrt ihr dann den Grund, warum wir mit Stavanger einfach nicht warm werden. Also bleibt dran ;)

Für Fragen, Anmerkungen, Anregungen, Kritik und Lob stehen wir natürlich immer gerne zu Verfügung - schreibt uns gerne. 

Viele Grüße, 

wir vier.


literatur

Der Dumont-Reiseführer von Südnorwegen: Möbius, M., Ster, A. (2022): Norwegen - der Süden. Ostfildern: DuMont Reiseverlag

Der Dumont-Reiseführer von Fjordnorwegen: Banck, M.H. (2019): Norwegen - das Fjordland. Ostfildern: DuMont Reiseverlag

Der lonely planet-Reiseführer von Norwegen: Ham, A., Butler, S., Wheeler, D. (2015): Norwegen. Ostfildern: Mairdumont

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