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Sind wir Touristen, oder wie? (Tag 5)

Von allen unseren langen Autofahrten in diesem Norwegen-Urlaub liefert dieser Tag neben der Anfahrt wohl die längste. Denn auf unserer Liste stehen heute nicht nur die Wasserfälle Langfoss und Låtefoss, sondern auch der Gletscher Bondhusbreen und der Sørfjord. Einer der Touristenmagneten enttäuscht uns - welcher, das müsst ihr schon im Text nachlesen ;)


Übrigens: Unser Norwegen-Abenteuer wird von Anny-x und Irish Pure gesponsert. Weitere Infos hier.


Pebbles weckt uns heute um halb sechs! Ab heute Abend bekommt sie nichts mehr zu trinken. Grummelnd wälzen wir uns aus den Schlafsäcken und lassen die Maus raus. Allerdings ist das gar nicht mal schlecht, so kommen wir zügig los und sind um kurz vor acht Uhr in Sand, einem um die Zeit noch im Tiefschlaf befindlichen, süßen, kleinen Städtchen am Fjord. Für kurze Pausen ist der Sitzplatz am Hafen sehr zu empfehlen: Sehr idyllisch gelegen, kostenloses Parken und freie Toiletten. Wie immer nutzen wir die Chance und füllen unsere Wasserreserven auf. Das ging bisher überall ganz gut an Touristeninformationen und öffentlichen Toiletten. Unser Glück, dass man in Norwegen überall das Hahnenwasser trinken kann. Eigentlich haben wir heute die Hoffnung auf frische Garnelen zum Mittagessen (auch ein Tipp aus dem Reiseführer), hier werden wir aber leider nicht fündig.

Wir machen noch einen kleinen Umweg zum Sandsfossen, der ebenfalls im Reiseführer erwähnt wird. Durch die 4m, die der Wasserfall an Höhe zurücklegt, erinnert dieser aber eher an unspektakulärere, aber natürlich trotzdem hübsche, Stromschnellen. Bekannter ist auch sowieso die Høsebrua - die Brücke, welche über den Sandsfossen führt. Die Metallbrücke wurde nämlich im Jahr 2013 vom Travel & Leisure Magazine zur "besten Brücke" gekürt. Und ja, hübsch ist sie schon. Auch wenn wir glauben, dass die Reiseführer und Informationstafeln Recht haben, dass die Konstruktion vorallem Abends und Nachts durch effektvolle Beleuchtung hervorsticht. So lange wollen wir aber nicht warten, schließlich ist es gerade erst 8:30 Uhr am Morgen und so haut uns die ausgezeichnete Brücke nicht wirklich vom Hocker. Was denkt ihr?

 

Und dann fahren und fahren wir weiter den Ryfylkevegen Richtung Røldal entlang. Am Suldalsvatnet bieten sich uns immer wieder atemberaubende Aussichten von Parkplätzen und -Buchten, was unsere Fahrt deutlich verzögert. Schließlich müssen wir so alle 500m rausfahren, stehen bleiben und Fotos schießen. 

Die Landschaft zeigt sich aber auch mal wieder von ihrer schönsten Seite; immer wieder fallen einzelne Sonnenstrahlen (Achtung, physikalisch nicht korrekt) in den See oder beleuchten spotlight-artig die supersaftig-grünen Wiesen mit den roten Häusern. Wir fühlen uns wie bei Herr der Ringe!

Hinter dem See führt die Straße weiter ins legendenumwobene Brattlandsdalen. Der Reiseführer beschreibt es als wildes Trolltal und wir müssen uneingeschränkt zustimmen! Denn wie könnte hinter den großen moosbewachsenen Steinbrocken und in den kargen, wilden, massiven Bergen keine runzlige Trollfrau ihre Grütze mit einem aus alten Knochen geschnitzten Löffel kochen? Im Gegensatz zum sonnenbestrahlten Suldalsvatnet zeigt sich das Brattlandsdalen sehr dunkel, aber nicht minder beeindruckend.

 

Am Ende des Ryfylkevegen, bei Røldal, fahren wir auf die E134 Richtung Odda. Um auf das Røldalsfjell zu gelangen, bieten sich hier zwei Möglichkeiten. Entweder nimmt man die alte Passstraße, die allerdings mit bis zu über 10% Steigung nichts für unser Trollbo ist. Wir nehmen stattdessen den Tunnel - der sich in Serpentinen den Berg hinauf arbeitet. Wir wiederholen: Ein Tunnel mit Serpentinen! Wir fühlen uns ein bisschen wie im Parkhaus vom IKEA in Sindelfingen, nur eben unterirdisch. Was seine Tunnel angeht, schöpft Norwegen wirklich alle Möglichkeiten voll aus!

Wir können übrigens berichten: Auch die weniger steile Variante durch den Tunnel liefert tolle Ausblicke auf die Gletscher und schneebedeckten Flächen des Folgefonna-Nationalparks vor Odda.

Für uns geht es danach runter nach Odda, vorher legen wir allerdings noch unseren ersten Touristenstopp ein.

Bevor wir also auf die Rv13 nach Odda abbiegen, folgen wir weiterhin der E134 zum Langfossen. Der kleine Parkplatz quillt schier über, aber wir finden einen kleinen Parkplatz (reicht uns ja in unserem Mitsubishi) und außerdem einen Schleichweg, sodass wir die herabstürzenden Wassermassen fast alleine bestaunen können. Der Langfoss gehört mit seinen über 600m Fallhöhe zu den höchsten und außerdem scheinbar zu den zehn schönsten Wasserfällen der Erde. Vor dem Hinblick dieser Tatsache erscheint der Andrang auf dem Parkplatz schon eher lächerlich klein. 

Auf der Rv13 nach Odda angekommen, kreuzt auch der Låtefossen unseren Weg - ein weiterer bekannter Wasserfall. Hier ist uns der Andrang aber zu groß, daher fahren wir nur langsam an den herabfallenden Wassermassen vorbei und fotografieren aus dem Auto heraus. Wir sind halt einfach ein bisschen menschenscheu im Urlaub - geht euch das auch so?

In Odda angekommen, haben wir uns schon so auf die Garnelen zum Mittagessen eingeschossen, dass wir, nachdem die Suche nach einem Fischer oder einer Fiskebutikk erfolglos bleibt, gefrorene Garnelen aus dem nächsten Rema 1000 mitnehmen. Dort gibt es Meeresfrüchte zum Selberschaufeln, daher gehen wir davon aus, dass diese trotzdem sehr frisch sind. Jedenfalls wissen wir aus Erfahrung, dass die Behälter jeden Tag neu gefüllt werden. Außerdem leisten wir uns eine Zitrone und baguette-ähnliches Brot - Knoblauch haben wir in rauen Mengen im Auto. 

Während der darauffolgenden Fahrt durch den 11km langen Folgefonntunnel füllen die langsam antauenden Garnelen das Auto mit einem lecker-fischigen Duft. Unser Plan sieht vor, zum Bondhusvatnet zu laufen und von dort aus vielleicht weiter zum Bondhusbreen, dem Gletscher. Laut Reiseführer ein Geheimtipp und keine allzu schwere Tour…

Genau. Von wegen Geheimtipp! Der ausgeschilderte Parkplatz quillt über, sodass sogar Platzeinweisende ein wenig Struktur in das Autochaos zu bringen versuchen. Schockiert (Stichwort: menschenscheu) drehen wir wieder um und überprüfen nochmal. Aber nein, wir sind nicht aus Versehen an der Trolltunga gelandet. Dieser Geheimtipp ist uns zu stressig und zu touristisch. 

Anstatt auf einer Parkbank mit Blick auf den hellblauen Gletscher kochen wir unsere Garnelen dann in einer Parkbucht mit Blick auf den tiefdunklen Hardangerfjord. Mit Zitronensaft und Knoblauch genießen wir die ungelogen besten Garnelen unseres Lebens! So lecker!

 

Und dann fahren wir wieder zurück nach Odda, abermals durch den Folgefonntunnel und dann weiter am Sørfjord entlang. Langsam können wir alle vier nicht mehr und so übersehen wir auf der Suche nach einem Schlafplatz fast die Schönheit des an Obstplantagen reichen Fjordes. Mit Stellplätzen sieht es aber schlecht aus. Die Ufer sind viel zu dicht besiedelt, die Parkbuchten für unsere Mischung aus Zelt und Hunden ungünstig und so landen wir am Ende in Kinsarvik. 

Dort wollten wir eigentlich erst morgen hin, um die Wanderung im Husedalen (bekannte Wanderung zu vier Wasserfällen) und den Dronning-Sonja-Panaromastien zu laufen. Kurz überlegen wir uns, letzteren heute noch zu beginnen und eine Mehrtagestour daraus zu machen. Dagegen spricht, dass wir beide müde und ausgelaugt sind und nur unsere kleinen Tagesrucksäcke dabei haben. Des weiteren soll es am nächsten Tag schlechtes Wetter geben - wollen wir uns da wirklich auf einer als anstrengend betitelten Wanderung befinden, wenn wir uns unser Equipment irgendwie hinbasteln müssten? Nicht wirklich. So fertig, wie wir sind, ist es einfach keine gute Idee, völlig planlos und unorganisiert zu einer als schwer und anstrengend beschriebenen Tour aufzubrechen. Also entscheiden wir uns dagegen (die Wanderung steht aber auf jeden Fall noch auf unserer Liste!). Suchen wir halt weiter nach einem Stellplatz…

 

Aber erst müssen die Hunde raus. Also überlegen wir uns das gleiche für die Husedalen-Tour, die soll leichter sein. Um die Lage auszukundschaften laufen wir dort einfach mal los. Da es mittlerweile sechs Uhr abends ist, sind auch nicht mehr so viele Menschen da. Auf dem breiten, geschotterten Wanderweg, der irgendwann in einen gut ausgetretenen Waldweg übergeht, schaffen wir es bis zum zweiten Wasserfall. Trotzdem die Wasserfälle natürlich toll sind, erscheinen uns die Zeltmöglichkeiten begrenzt. Es gibt auch immer mal wieder ein paar Verbotsschilder. Also machen wir uns auf den Rückweg, holen uns die Tüte First-Price-Bacon-Smak-Chips vom Kiwi nach vorne und fahren weiter. Für die Suche nutzen wir im Folgenden die App Park4Night. Die für den Sørfjord angegebenen Plätze sind aber größtenteils voll. Und die leeren Plätze passen uns auch nicht. Entweder sind die zugemüllt (bitte, liebe Camper*innen, nehmt doch euren Müll einfach mit. Es gibt doch ausreichend Mülleimer!), mit den Hunden blöd, weil direkt an der Straße ohne Gassigeh-Möglichkeiten, oder wir kommen mit unserem Trollbo nicht mal die Straßenkante hinunter. Vielleicht sollten wir doch in eine Unterbodenschutzversicherung investieren?

 

Eigentlich wollen wir über die Hardangerbrücke fahren und auf der anderen Fjordseite weiter schauen, aber am Kreisverkehr im Tunnel (!!) nehmen wir die falsche Ausfahrt und fahren so an der Brücke vorbei in Richtung Eidfjord. Auch okay, führt uns das Schicksal eben dorthin. Ist ja nicht so, als hätten wir einen Plan.

 

Zum Glück, denn in Øvre Eidfjord folgen wir einer kleinen Schotterstraße, die ausdrücklich nur für Kleinkraftfahrzeuge ohne Anhänger empfohlen ist, da sie eng, steil und holprig sein soll. Unabhängig davon, dass wir froh sind, dass die großen Camper und Wohnmobile unten bleiben müssen, würden wir sehr empfehlen, sich daran zu halten. Denn die sehr schmale Schotterstraße führt über 16 Serpentinen hoch in die Hardangervidda. Nach etwa der Hälfte der engen Haarnadelkurven müssen wir eine Pause machen, damit der Motor nicht überhitzt. Und die Heizung haben wir präventiv schon am Anfang der Straße ganz hochgedreht. Hoffentlich wird den Hunden nicht schlecht!

Oben werden wir mit einem grandiosen Parkplatz direkt am Wasserfall belohnt! Außer uns befindet sich nur noch ein weiteres Auto (Jeep mit Dachzelt, dessen Reifen etwa so breit sind wie unsere Motorhaube) hier, dessen Besitzer*innen einen bildschönen Aussie haben und uns deswegen schon sympathisch sind. Mit dem Wasserfall sind auch unsere Wasserprobleme gelöst und als i-Tüpfelchen hat es am nächsten Parkplatz, der sich etwa 100m weiter die Straße entlang befindet, ein Plumpsklo und Mülleimer. Außer dem Wasserfall kann der Platz mit einer phänomenalen Aussicht ins Tal aufwarten. Wir übertreiben nicht, wenn wir sagen, dass wir hier unseren Lieblingsstellplatz gefunden haben! Da kann der Regen am nächsten Tag kommen.


Das war also unser langer, langer, längster Fahrtag. Die Hunde sind kaputt, wir sind k.o. Aber beim Anblick unseres Parkplatzes war alles vergessen. Wir können eigentlich alle Stopps auf dieser Tour weiter empfehlen, außer den Geheimtipp zum Bondhusbreen. Aber man kann nicht immer gewinnen, oder?

 

Während wir uns auf den Gammel-Regentag am nächsten Tag vorbereiten, schicken wir an dieser Stelle nur noch viele Grüße!

Wir vier.


Literatur

Der Dumont-Reiseführer von Südnorwegen: Möbius, M., Ster, A. (2022): Norwegen - der Süden. Ostfildern: DuMont Reiseverlag

Der Dumont-Reiseführer von Fjordnorwegen: Banck, M.H. (2019): Norwegen - das Fjordland. Ostfildern: DuMont Reiseverlag

Der lonely planet-Reiseführer von Norwegen: Ham, A., Butler, S., Wheeler, D. (2015): Norwegen. Ostfildern: Mairdumont

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